Transformativer Wandel ist notwendig, dringend und möglich
Um unser Überleben und Wohlergehen sicherzustellen, ist es dringend und notwendig, Ansichten, Strukturen und Praktiken hin zu einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft anzupassen. Ein solch transformativer Wandel sei herausfordernd, aber möglich, sagt der Weltbiodiversitätsrat IPBES am Mittwoch. Über 101 führende internationale Expertinnen und Experten aus 42 Ländern haben die zugrundeliegenden Ursachen des Biodiversitätsverlusts und die entscheidenden Hebel für eine systemweite Transformation untersucht. Demnach brauche es einen grundlegenden Wandel, im Ausmass vergleichbar mit jenem der Industriellen Revolution, um die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt weltweit und die nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen.
Es gebe heute eine «Imaginationslücke» an positiven Zukunftsvorstellungen, in denen Menschen als integrierter Teil der Natur leben, schreiben die Forschenden. Dabei müsse ein transformativer Wandel systemweit vorherrschende Sichtweisen, Strukturen und Praktiken verändern, so der Bericht, der auf der Grundlage von mehr als 7.000 wissenschaftlichen Publikationen und anderen Quellen erstellt wurde. Nur so lassen sich schnell schliessende Zeitfenster nutzen und irreversible Kipppunkte beim Biodiversitätsverlust verhindern. Die vier Prinzipien Gerechtigkeit, Pluralismus, respektvolle Mensch-Natur-Beziehungen und adaptives Lernen unterstützen transformative Veränderungen. Weiter sollen wirtschaftliche und finanzielle Paradigmen die Natur und soziale Gerechtigkeit über private Interessen stellen, schreiben die Forschenden. Sie analysierten auch rund 400 transformative Initiativen aus der ganzen Welt und zeigen, dass schon in weniger als zehn Jahren Fortschritte möglich sind.
Transformative Veränderung erfordert einen ganzheitlichen Gesellschafts- und Regierungsansatz, der alle Akteure und Sektoren einbezieht. Regierungen können durch kohärente Politik, stärkere Regulierungen und innovative Wirtschaftsinstrumente entscheidend beitragen. Zivilgesellschaftliche Organisationen spielen eine entscheidende Rolle: die Forschenden haben 2802 soziale Bewegungen seit 1992 untersucht und festgestellt, dass über die Hälfte (54%) zu Reformen und 19% zur Einstellung der für Umweltschäden verantwortlichen Tätigkeit führten. Auch gut gestaltete Geschäfts- und Privatsektor-Initiativen können positive ökonomische Anreize für transformative Veränderungen schaffen.
Zitate der beteiligten Expert:innen aus der Schweiz
«Wir haben jetzt breit abgestützte Evidenz dafür, dass der Verlust der Natur und der biologischen Vielfalt durch grundlegende strukturelle Probleme verursacht werden, die unsere Gesellschaften durchziehen. Um einen tiefgreifenden Wandel und eine bessere Zukunft für uns und die nächsten Generationen zu erreichen, müssen systemische Herausforderungen wie unzureichende politische Maßnahmen, Ungleichheiten, nicht nachhaltiger Konsum und nicht nachhaltige Produktion angegangen werden.» Mialy Rann Andriamahefazafy, Universität Genf
«Die beinahe 150 Regierungen der IPBES-Vollversammlung hatten den Mut einen einzigartigen Bericht zu verabschieden. Der Bericht zeigt, dass eine grundlegende systemweite Umstrukturierung für eine gerechte und nachhaltige Welt nicht nur dringend erforderlich, sondern auch möglich ist. Er enthält konkrete Strategien und Maßnahmen für Regierungen, Unternehmen und soziale Bewegungen, um zu einem transformativen Wandel beizutragen.» Iago Otero, Universität Lausanne
«Alle müssen beitragen! Nach drei Jahren intensiver Synthese wissenschaftlicher Erkenntnisse weltweit haben wir verschiedene Maßnahmen ermittelt, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen und Fortschritte in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung zu erzielen. Wir erwarten nun, dass die Praktiken umgesetzt werden. Alle, vom Einzelnen über Gruppen, Schulen, Unternehmen, die Zivilgesellschaft bis hin zu Regierungsorganisationen, können je nach Kontext aus dem Portfolio an transformativen Praktiken wählen.» Chinwe Ifejika Speranza, Universität Bern
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Dr. Eva Spehn
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